Full text: Heimat-Beilage, 1932-1933

das Beßwitzer im Jahre 1914 dreizehn und durch das 
Hinzukommen des Kirchspiels Altschlawe im Jahre 1930 
vierzehn. 
Was die Kirchen selbst anbelangt, so hatten wir 
schon erwähnt, daß ihrem Grundriß nach feststellbar 
zin ihrer ersten Anlage die älteste die Kirche zu Wendisch 
Tychow sein dürfte, eine Gründung des Johinniter 
ordens noch aus dem 13. Jahrhundert, im Stil aus der 
Uebergangszeit von der Romantik zur Gotik. Es folgen 
die einfach viereckigen in Ziegel und zum Teil mit 
Feldsteinen errichteten gothischen Stiles, wie die ur 
sprüngliche Krangener, die Kummerower, die Ristower, 
die ursprüngliche Wusterwitzer, Bartiner, Rötzenhägener 
und Stemnitzer, die umgebaute Wend. Tychower und 
die Peester, Altschlawer und alte Schlönwitzer. Dazu 
kommt die Marienkirche in Schlawe aus der Mitte des 
14. Jahrhunderts, der aber wohl eine ältere Adalbert 
kirche vorausgegangen ist. Dem 16. Jahrhundert ent 
stammen dürften die Kirchen zu Kusserow, Paalow 
(alte), Wussow, Zirchow und die ursprüngliche Kapelle 
in Techlipp. Aus dem 17. Jahrhundert stammt wohl 
die Kirche von Dt. Puddiger, während zur selben 
Zeit wiederhergestellt oder umgebaut wurden: Peest, 
Suckow und Wusterwitz. Das 18. Jahrhundert lieferte 
die Kirche zu Gerbin und die zweite Pollnower Kirche. 
Aus welcher Zeit die erste stammt, ist nicht feststellbar. 
so viel ist bekannt, daß hart südlich Pollnow auf dem 
sog. heiligen Berge schon sehr früh sich eine berühmte 
Wallfahrtskirche befunden hat. Auch im 18. Jahrhun 
dert neu erbaut wurde die Techlipper Kirche. Als neuste 
Kirchen folgen um 1850 die jetzige Pollnower, 1868 
die Freetzer, 1891 die Beßwitzer, 1893 und 94 die 
Schlönwitzer und die Paalower in ihrer heutigen Ge 
stalt, als ganz neue 1911 die Kapelle in Hammermühle 
und 1916 der Umbau der Rötzenhägener. 
Wir können danach feststellen, daß die meisten Kir 
chen ihre Erbauung oder ihre heutige Gestalt dem 
14. oder 15. Jahrhundert verdanken und wir können 
weiter berichten, daß um 1600 ein Aufschwung in der 
Ausschmückung erfolgte: neue Altaraufbauten, Kanzeln, 
Tauftische usw. wurden errichtet, während um 1700 
nur einzelne Adelsfamilien etwas für Kirche und Aus 
schmückung taten. Seitdem ist erst in neuester Zeit wie 
der mehr dafür geschehen. Deutlich prägt sich hier der 
jeweilige größere oder geringere allgemeine Wohlstand 
ab, auch, wenn wir die Bauweise der Kirchen selbst 
betrachten. Ursprünglich sind wohl die meisten alten 
gothischen Kirchen mit Gewölben über den Schiffen ver 
sehen gewesen. Darauf deuten jedenfalls die vorhan 
denen Merkmale, wonach die Dächer früher viel höher 
gewesen sind Einer späteren Zeit war dann die Er 
haltung bezw. Wiederherstellung der Deckengewölbe nicht 
mehr möglich und man griff als Ersatz zu den heutigen 
flachen Holzdecken. Nach dem dreißigjährigen Kriege, im 
17. und 18. Jahrhundert mußte man sogar vielfach zum 
Fachwerk als Baustoff greifen, weil die Mittel für 
massive fehlten. Erst der Ausgang des 19. und der 
Beginn des 20. Jahrhunderts brachten uns in Pommern 
wieder Zeiten, von denen man Besseres erhoffen konnte, 
aber leider war gleichzeitig der Sinn für Stil und ge 
schmackvolle Bau= und Schmuckweise, wie vor allem der 
Sinn für den Wert eines schönen Gotteshauses hier 
wie sonst stark verloren gegangen bis der große Wecker 
Weltkrieg, mit seinen vierzehn unglücklichen Folgejahren 
auch hier die Geister sich besinnen ließ und trotz Notzeit 
neuen Antrieb gab. 
Die Steilküste von Zershöft 
Keinen schöneren Ausblick auf die See gibt es in 
unserer engeren Heimat als von der Steilküste Jershöfts. 
Blau ist heute der Augusthimmel und blau das weite 
Meer, das der leichte Nordost mit vom Schaum ge 
krönten Wellen belebt. 
Da, wo der Steilrand bis dicht an die Dorfstraße 
geht, führt ein Fußsteig durch die Schlucht zum Strande. 
Dunkle, von pommerscher Weide und anderen Bäumen 
und Sträuchern belebte Sandkorndickichte schmücken die 
Hänge, über die von oben her bunte Sommervillen 
schauen und so der Steilküste ein malerisches Gepräge 
verleihen. Der charakterische Strauch ist hier der Sand 
dorn, den gegen den Herbst gelbrote Beeren zieren. 
Auf den sanfteren, mise Gras bewachsenen Abhängen, 
auf denen Schafe und Ziegen weiden, bilden die weißen 
Dolden des Bibernells, gemeines Labkraut, Herbst 
löwenzahn und zierlicher Augentrost einen bunten Ver 
ein. Drüben, zwischen dem Gebüsch der Abhänge, dem 
der Sturm seinen Stempel aufgeprägt hat, wuchert 
eine reichhaltige Staudenflora, die der Binnenlandflora 
ähnlichen Bodens durchaus gleicht. Das Gebüsch selbst 
ist zum größten Teil aus Erle, Silberweide, Esche, 
Hollunder und pommerscher Weide zusammengesetzt. Hier 
bildet die Ackerbrombeere, die an ihren blaubereiften 
Trieben und Früchten leicht erkenntlich ist, ein undurch 
dringliches Gewirr. Im Dickicht wuchern Rupprechts 
kraut, große Brennesseln, und Klebkraut. An den strauch 
freien Hängen und in den Buchen blühen Ackerknautie, 
Weidenröschen, Schafgarbe, Flockenblumen und Di 
steln, an deren Blüten an windgeschützten Stellen Weiß 
linge, Pfauenauge, Admirale und Ochsenaugen sich güt 
lich tun. Hier wuchern üppig die Kletten, da hat der 
Rotklee die Herrschaft, und dort bilden Goldrute die 
Herrschaft. Wicken, die braunen Fruchtstünder des brau 
nen Ampfers und Jesuwudenkraut ein buntes Durch 
einander. An anderen Stellen sind Jsüßdufender Weißklee 
und andere Kleearten tonangebend. Hier ist ein großer 
Schachtelhalmbestand und unten, am vorjährigen Ab 
sturz, bollwerkt die Hundskammilie. An solchen Stel 
len siedelt sich gern der Huflattich an, der vom Fuß 
der schroffen, vom Regen tief zerfurchten Abhänge 
sich bis hoch nach oben zieht. Zwischen den großen 
Stauden des Gemeinen Beifußes und seines selte 
neren Vettern, des bitterduftenden Wermuts, ragen die 
großen, hellgrünen Blätter des Merrettichs hervor, 
die einen eigenartigen Anblick gewähren. 
Der Sandstrand weist im Großen und Ganzen 
die allgemeine Bodenflora auf. 
Die Wellen haben unzählige Kohlweißlinge ans 
Ufer geworfen, deren Art sich im Sommer ungeheuer 
vermehrt, und große Schwärme gebildet hatte. Einer 
oder mehrere von diesen Zügen, die auf die See flogen, 
wurden von der Nacht oder dem letzten Gewittersturm 
überrascht und fanden so den Tod in den Wellen. 
Zwischen den toten Weißlingen wippt die weiße Bach 
stelze umher; hoch oben in den schroffen, über 26 
Meter hohen Abhängen sieht man die zahlreichen Löcher 
der Uferschwalben. 
Weiter nach Rützenhagen zu krönen sturmzer 
zauste Kiefern „die hohe Höft“ diesen Steilrand, den 
nach und nach Wind und Wetter, Regen, Frost und 
Schneeschmelze immer mehr abtragen. So wird hier die 
Küste trotz aller Schutzbauten langsam, aber sicher 
ein Raub der Wellen. Mächtige Geschiebeklumpen stür 
zen ab, oft in sich größere Findlinge bergend, welche 
hin und wieder Gletscherschrammen aufweisen. Das 
Wasser löst allmählich den Lehm, und nur die Steine 
bleiben als breite Geröllstreifen am Ufer zurück. Auch 
branne und schwarze Feuersteine sind anzutreffen 
hin und wieder sogar ein versteinerter Seeigel. Alle 
diese Dinger brachten die Gletscher der Eiszeit hierher, 
vor viel mehr denn zwanzigtausend Jahren. Noch 
einmal wiederholt sich am Fuße des Steilhanges bei 
Regen= und Tauwetter das Bild der Nacheiszeit. Hier 
wälzen sich Schlammströme herab, dort bilden sich kleine 
Stauseen. Hier liegt ein merkwürdiges Ding im 
Sande, ein künstlich durchbohrtes Geweihbruchstück, 
wahrscheinlich der untere Teil einer Elchschaufel, er ist 
aus den oberen Schichten des Steilrandes dicht unter 
der Raseneisensteinschicht herausgebröckelt. Einst dien 
ten diese Geweihhaken den Urbewohnerno unserer Hei 
mat als Werkzeng 
Die See schlägt hier ein Blatt des Weltgeschehens 
um, auf dem die Natur ein gewaltiges, ein ern 
stes Wort von ihrem Werden und Vergehen verzeich 
net. 
Fritz Haase.
	        
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