Pommern und Schweden
Von Professor Dr. Johannes Paul, Greifswald
mark und Norwegen bildeten die Niederlassungen der
deutschen Kaufleute gewissermaßen S'aaten im Staate
mit eigenem Recht und wurden als lästige Fremdkörper
empfunden. Die einzelnen Kaufleute bleiben zudem meist nur
kürzere Zeit im Lande. In Schweden mußten die Deutschen
die sich dort ansiedeln wollten, schwedische Staatsangehörige
werden, waren also schwedischen Gesetzen unterworfen. Da
durch wurden die Gegensäte gemildert und eine allmählsche
Verschmelzung der beiden Bevölkerungsgrupren angebahnt,
obwohl die Zahl der deutschen Einwande er in Schweden be
deutend größer war als etwa in Norwegen. In den
Städten waren sie so stark, daß Bestimmungen erlassen
wurden, daß nicht mehr als die Hälfte der Bürgermeister
und Ratsherren der fremden Nation angehören sollten.
Stockholm und Kalmar haben zeitweilig zur Hanse ge
hört und im 15. Jahrhundert begegne'e uns unter den
Bürgermeistern von Stockholm der Name Bismarck.
Ueberdies beschränkte sich das deutsche Element keines
wegs nur auf die Kaufmannschaft; auch die Handwerker
waren zum großen Teile deutsch. Deutsche Bergleute brach
ten neue Arbeitsmethoden nach den Erzgebieten Mittel
schwedens, und als Träger ritterlicher Kultur kamen zahl
reiche deutsche Adlige ins Land.
Leute aus Pommern waren unter den deutschen Ein
wanderern nachweislich stark vertreten. Dank ihrer gün
stigen Lage konnten die pommerschen Städte den Wett
bewerb nicht nur mit den mecklenburgischen Nachbarn,
sondern auch mit Lübeck und Danzig aufrehmen, und
ein Sohn des pommerschen Greifenhauses hat sogar als
Unionskönig über Schweden, Dänemark und Norwegen
geberrscht. Freilich hat „Erich von Pommern“, der Adov
tivsohn der großen Margarete, kein allzu gutes Andenken
im Norden hinterlassen. Die drei Kronen die ihm in den
Schoß gefallen waren, entglitten ihm wieder — nicht ohne
eigere Schuld, und als „ein arger Seeräuber“ ist er
schließlich im heimatlichen Rügenwalde gestorben.
Aus Pommern stammte auch — um nur noch einen zu
nennen — einer der Mitarbeiter Gustaf Wasas, Georg
Norman, der ihm als Diplomat und vor allem als Or
ganisator der schwedischen Kirche zur Seite stand, ein Mann,
der seiner Heimat alle Ehre machte wenn er auch nicht die
Rolle in Schweden gespielt hat, wie sein Landsmarn Bu
genhagen, der Doktor Pommeranus, in Dänemark.
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Der nordische siebenjährige Krieg
Stärker trat das Uebergenicht, das den Pommern in
Schweden die Nähe ihrer Heimat verschaffte, in der Ver
fallszeit der Hanse bervor. Als die ersten Wasas daran
gingen, die lästice Handelsberrschaft der deutschen Hanse
abzuschütteln, sviel'en sie mit Erfolg die Sonderbelange
der pommerschen Städte gegen Lübeck aus, und als die
Travestadt im nordischen siebenjährigen Kriege (1563 bis
1570) im Bunde mit Dänemark und Polen versuchte, mit
Waffengewalt sich die alte Stellung in Schweden wieder
zu ertroben, da erreichte es Erich XIV., daß die vommer
schen Städte eine schwedenfreundliche Neutralität be
obachteten.
Für Schweden war das geradezu eine Lebensfrage.
Der Plan der Verbündeten war, das aufsteigende Schweden,
dessen militärische Niederwerfung sich bald als eine recht
schwierige Aufgabe berausstellte, durch eine Hungerblockade
auf die Knie zu zwingen. Da Dänemark zu Lande Schweden
nahezu umschloß, und gleich zu Beginn des Fe dzuges das
wichtige Elfsborg, den einzigen Zugang des damaligen
Schweden zum Westmeere, besetzt hate, schien das Unter
nehmen sehr wohl durchführbar, wenn nur die übrigen
Hansestädte an der Ostsee die Fahrt nach Schweden ein
stellten. Die ließen sich aber weder durch Sch'kanen des
dänischen Königs, noch durch Kapereien der Lübecker, noch
durch kaiserliche Verbote irre machen. An der mannhaften
Haltung der pommerschen und der mecklenburgischen Städte,
die darin von ihren Herzögen unterstützt wurden, ist der
Plan zu Schanden geworden; ja von den pommeschen
Städten aus, von S'ralsund vor allem, aber auch von
Greifswald, Anklam, Stettin und and#en setzte ein schwung
Vorzeit und Mittelalter
Wie zwei einander entgegengestreckte Arme ragen Süd
schweden und Vorpommern in die Ostsee vor und sind von
der Natur dazu bestimmt, Schauplätze deutsch
Wechselwirkungen zu sein. In den Küstenländern der süd
lichen Ostsee und der Nordsee stand dereinst die Wiege
der germanischen Stämme. Von hier breiteten sie sich
über die bemohnbaren Gebiete Skandinaviens aus, und
als dort der Platz anfing eng zu werden, drangen sie dem
Lauf der deutschen Flüsse folgend nach Mit'el=, Ost= und
schließlich Südeuropa vor. Die dänischen Insern mit der
jütischen Halbinsel, Südschneden und Vorvommern, sowie
die durch die Insel Gotland angedeutete Brücke über die
mittlere Ostsee waren die natürlichen Wege für die aus
Skandinavien nach Süden drängenden Stämme. Die Namen
der Inse'n Bornholm und Rügen sind noch heute Zeigen
solcher Züge von der skandinavischen Halbinsel über Pom
mern gen Süden.
Die an der deutschen Ostseeküste sitzenden Stämme
schlossen sich der allgemeinen Bewegung an. Die Folge war,
daß die alte Einheit der nördlich und südlich des Meeres
wohnenden Germanenstämme zerriß. Pommern mit der
ganzen deutschen Ostseeküste wurde slavisches Gebiet
Aber als die Germanen sich von dem großen Aderlaß
der Völkerwanderungszeit erholt haften, als ihnen im
Süden die Gründung des gewaltigen Reiches gelungen war,
und im Norden in Schweden, Däremark und Norwegen selb
ständige Königreiche erwuchsen, da setzten sie von Nord und
Süd gleichseitig die Hebel an, um den Slavenkeil wieder
zu beseitigen. Jeder von uns kennt das unvergleichliche
Werk der deutschen Bauern und Ritter, der Bürger und
Geistlichen, die von der Elbe und Saale aus weit über die
Grenzen des heutigen Deutschen Reiches hinaus bis an
die Gestade des finnischen Meerbusen vordrangen. Weniger
bekannt ist, daß den S'a#en gleichzeitig auch von der
Seeseite zugesetzt wurde. Wkingerburgen entstanden an der
südlichen Ostseeküste als Stützpunke für Plünderungs
züge und Handelsfahrten. Die berühmteste ist die sagen
umwobene Jomsburg, die wir auf der Gemarkung von
Peeremünde zu suchen haben, und die in der Vinetasage
bis zum heutigen Tage fortlebt.
Im 12. Jahrhundert treen diese skandinanischen Züge
gegen die Slavenküste deutlicher aus dem Halbdunkel der
Sage heraus. Im Jahe 1268 stürmt der Dänenkönig
Waldemar der Große und sein streitbarer Erzbischof Ab
salom Swantowits Heiligtum Arkona; Rügen und Vor
pommern bis zum Ryck kommen unter dänische Herr
schaft. Aber ebensowenig wie in Estland können sich die
Dänen naben ihren deutschen Verbündeten auf die Dauer
halten. Pommern wird deutsch.
Als dann in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
auch an der pommerschen Küste deutsche Städte erblüben,
geht die Herrschaft über daß baltische Meer aus der
Hand der Nordleute an den Bund der deutschen Städte
über, Hatten sich vorher die Wik'nger an unseren Küsten
getummelt, so erscheinen jetzt die schweren Koggen der
deutschen Kaufleute in allen Häfen des Nordens und
zwingen ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit. Im norwe
gischen Bergen haben die „Kontorischen“ Jahrhunderte
lang ein hartes Regiment geführt und an der Südspitze
von Schonen, zu Skanör und Falsterbo, trasen sich auf
damals dänischem Gebiete die Kaufleute der deutschen
Seestädte, kauften, salz'en und verfrachteten den Hering
und gebärdeten sich, als wären sie auf eigenem Grund
und Boden.
Der Umschwung ist nicht so verwunderlich, wenn wir
bedenken, daß zwei ganz verschiedene Wirtschaftssysteme
einander gegenübertraten. Im Kampfe mit dem noch rein
argrarischen Norden mußte die hochentwickelte Stadtwirt
schaft der Deutschen den Sieg davontragen. Daß es da
bei nicht ohne Reibung mit den einheimtschen Gewalten
abging, ist erklärlich. Hinsichtlich der Stellung der Deut
schen in den einzelnen Ländern ist ein bezeichnender
und für die Zukunft wichtiger Unerschied zwischen Schweden
und den anderen nordischen Staaten festzustellen. In Däne