Full text: Heimat-Beilage, 1929

Pommern und Schweden 
Von Professor Dr. Johannes Paul, Greifswald 
mark und Norwegen bildeten die Niederlassungen der 
deutschen Kaufleute gewissermaßen S'aaten im Staate 
mit eigenem Recht und wurden als lästige Fremdkörper 
empfunden. Die einzelnen Kaufleute bleiben zudem meist nur 
kürzere Zeit im Lande. In Schweden mußten die Deutschen 
die sich dort ansiedeln wollten, schwedische Staatsangehörige 
werden, waren also schwedischen Gesetzen unterworfen. Da 
durch wurden die Gegensäte gemildert und eine allmählsche 
Verschmelzung der beiden Bevölkerungsgrupren angebahnt, 
obwohl die Zahl der deutschen Einwande er in Schweden be 
deutend größer war als etwa in Norwegen. In den 
Städten waren sie so stark, daß Bestimmungen erlassen 
wurden, daß nicht mehr als die Hälfte der Bürgermeister 
und Ratsherren der fremden Nation angehören sollten. 
Stockholm und Kalmar haben zeitweilig zur Hanse ge 
hört und im 15. Jahrhundert begegne'e uns unter den 
Bürgermeistern von Stockholm der Name Bismarck. 
Ueberdies beschränkte sich das deutsche Element keines 
wegs nur auf die Kaufmannschaft; auch die Handwerker 
waren zum großen Teile deutsch. Deutsche Bergleute brach 
ten neue Arbeitsmethoden nach den Erzgebieten Mittel 
schwedens, und als Träger ritterlicher Kultur kamen zahl 
reiche deutsche Adlige ins Land. 
Leute aus Pommern waren unter den deutschen Ein 
wanderern nachweislich stark vertreten. Dank ihrer gün 
stigen Lage konnten die pommerschen Städte den Wett 
bewerb nicht nur mit den mecklenburgischen Nachbarn, 
sondern auch mit Lübeck und Danzig aufrehmen, und 
ein Sohn des pommerschen Greifenhauses hat sogar als 
Unionskönig über Schweden, Dänemark und Norwegen 
geberrscht. Freilich hat „Erich von Pommern“, der Adov 
tivsohn der großen Margarete, kein allzu gutes Andenken 
im Norden hinterlassen. Die drei Kronen die ihm in den 
Schoß gefallen waren, entglitten ihm wieder — nicht ohne 
eigere Schuld, und als „ein arger Seeräuber“ ist er 
schließlich im heimatlichen Rügenwalde gestorben. 
Aus Pommern stammte auch — um nur noch einen zu 
nennen — einer der Mitarbeiter Gustaf Wasas, Georg 
Norman, der ihm als Diplomat und vor allem als Or 
ganisator der schwedischen Kirche zur Seite stand, ein Mann, 
der seiner Heimat alle Ehre machte wenn er auch nicht die 
Rolle in Schweden gespielt hat, wie sein Landsmarn Bu 
genhagen, der Doktor Pommeranus, in Dänemark. 
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Der nordische siebenjährige Krieg 
Stärker trat das Uebergenicht, das den Pommern in 
Schweden die Nähe ihrer Heimat verschaffte, in der Ver 
fallszeit der Hanse bervor. Als die ersten Wasas daran 
gingen, die lästice Handelsberrschaft der deutschen Hanse 
abzuschütteln, sviel'en sie mit Erfolg die Sonderbelange 
der pommerschen Städte gegen Lübeck aus, und als die 
Travestadt im nordischen siebenjährigen Kriege (1563 bis 
1570) im Bunde mit Dänemark und Polen versuchte, mit 
Waffengewalt sich die alte Stellung in Schweden wieder 
zu ertroben, da erreichte es Erich XIV., daß die vommer 
schen Städte eine schwedenfreundliche Neutralität be 
obachteten. 
Für Schweden war das geradezu eine Lebensfrage. 
Der Plan der Verbündeten war, das aufsteigende Schweden, 
dessen militärische Niederwerfung sich bald als eine recht 
schwierige Aufgabe berausstellte, durch eine Hungerblockade 
auf die Knie zu zwingen. Da Dänemark zu Lande Schweden 
nahezu umschloß, und gleich zu Beginn des Fe dzuges das 
wichtige Elfsborg, den einzigen Zugang des damaligen 
Schweden zum Westmeere, besetzt hate, schien das Unter 
nehmen sehr wohl durchführbar, wenn nur die übrigen 
Hansestädte an der Ostsee die Fahrt nach Schweden ein 
stellten. Die ließen sich aber weder durch Sch'kanen des 
dänischen Königs, noch durch Kapereien der Lübecker, noch 
durch kaiserliche Verbote irre machen. An der mannhaften 
Haltung der pommerschen und der mecklenburgischen Städte, 
die darin von ihren Herzögen unterstützt wurden, ist der 
Plan zu Schanden geworden; ja von den pommeschen 
Städten aus, von S'ralsund vor allem, aber auch von 
Greifswald, Anklam, Stettin und and#en setzte ein schwung 
Vorzeit und Mittelalter 
Wie zwei einander entgegengestreckte Arme ragen Süd 
schweden und Vorpommern in die Ostsee vor und sind von 
der Natur dazu bestimmt, Schauplätze deutsch 
Wechselwirkungen zu sein. In den Küstenländern der süd 
lichen Ostsee und der Nordsee stand dereinst die Wiege 
der germanischen Stämme. Von hier breiteten sie sich 
über die bemohnbaren Gebiete Skandinaviens aus, und 
als dort der Platz anfing eng zu werden, drangen sie dem 
Lauf der deutschen Flüsse folgend nach Mit'el=, Ost= und 
schließlich Südeuropa vor. Die dänischen Insern mit der 
jütischen Halbinsel, Südschneden und Vorvommern, sowie 
die durch die Insel Gotland angedeutete Brücke über die 
mittlere Ostsee waren die natürlichen Wege für die aus 
Skandinavien nach Süden drängenden Stämme. Die Namen 
der Inse'n Bornholm und Rügen sind noch heute Zeigen 
solcher Züge von der skandinavischen Halbinsel über Pom 
mern gen Süden. 
Die an der deutschen Ostseeküste sitzenden Stämme 
schlossen sich der allgemeinen Bewegung an. Die Folge war, 
daß die alte Einheit der nördlich und südlich des Meeres 
wohnenden Germanenstämme zerriß. Pommern mit der 
ganzen deutschen Ostseeküste wurde slavisches Gebiet 
Aber als die Germanen sich von dem großen Aderlaß 
der Völkerwanderungszeit erholt haften, als ihnen im 
Süden die Gründung des gewaltigen Reiches gelungen war, 
und im Norden in Schweden, Däremark und Norwegen selb 
ständige Königreiche erwuchsen, da setzten sie von Nord und 
Süd gleichseitig die Hebel an, um den Slavenkeil wieder 
zu beseitigen. Jeder von uns kennt das unvergleichliche 
Werk der deutschen Bauern und Ritter, der Bürger und 
Geistlichen, die von der Elbe und Saale aus weit über die 
Grenzen des heutigen Deutschen Reiches hinaus bis an 
die Gestade des finnischen Meerbusen vordrangen. Weniger 
bekannt ist, daß den S'a#en gleichzeitig auch von der 
Seeseite zugesetzt wurde. Wkingerburgen entstanden an der 
südlichen Ostseeküste als Stützpunke für Plünderungs 
züge und Handelsfahrten. Die berühmteste ist die sagen 
umwobene Jomsburg, die wir auf der Gemarkung von 
Peeremünde zu suchen haben, und die in der Vinetasage 
bis zum heutigen Tage fortlebt. 
Im 12. Jahrhundert treen diese skandinanischen Züge 
gegen die Slavenküste deutlicher aus dem Halbdunkel der 
Sage heraus. Im Jahe 1268 stürmt der Dänenkönig 
Waldemar der Große und sein streitbarer Erzbischof Ab 
salom Swantowits Heiligtum Arkona; Rügen und Vor 
pommern bis zum Ryck kommen unter dänische Herr 
schaft. Aber ebensowenig wie in Estland können sich die 
Dänen naben ihren deutschen Verbündeten auf die Dauer 
halten. Pommern wird deutsch. 
Als dann in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts 
auch an der pommerschen Küste deutsche Städte erblüben, 
geht die Herrschaft über daß baltische Meer aus der 
Hand der Nordleute an den Bund der deutschen Städte 
über, Hatten sich vorher die Wik'nger an unseren Küsten 
getummelt, so erscheinen jetzt die schweren Koggen der 
deutschen Kaufleute in allen Häfen des Nordens und 
zwingen ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit. Im norwe 
gischen Bergen haben die „Kontorischen“ Jahrhunderte 
lang ein hartes Regiment geführt und an der Südspitze 
von Schonen, zu Skanör und Falsterbo, trasen sich auf 
damals dänischem Gebiete die Kaufleute der deutschen 
Seestädte, kauften, salz'en und verfrachteten den Hering 
und gebärdeten sich, als wären sie auf eigenem Grund 
und Boden. 
Der Umschwung ist nicht so verwunderlich, wenn wir 
bedenken, daß zwei ganz verschiedene Wirtschaftssysteme 
einander gegenübertraten. Im Kampfe mit dem noch rein 
argrarischen Norden mußte die hochentwickelte Stadtwirt 
schaft der Deutschen den Sieg davontragen. Daß es da 
bei nicht ohne Reibung mit den einheimtschen Gewalten 
abging, ist erklärlich. Hinsichtlich der Stellung der Deut 
schen in den einzelnen Ländern ist ein bezeichnender 
und für die Zukunft wichtiger Unerschied zwischen Schweden 
und den anderen nordischen Staaten festzustellen. In Däne
	        
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