Jugenderinnerungen einer Stettiner Kaufmannstochter

Silling, Marie

Bibliographic data

Monograph

URN:: urn:nbn:de:gbv:9-g-5214024

Persistent identifier:: PPN1804130044

Copyright:: Universität Greifswald

Rechteinhaber URL:: http://www.uni-greifswald.de

Title:: Jugenderinnerungen einer Stettiner Kaufmannstochter

Author:: Silling, Marie

Document type:: Monograph

Publication year:: 1921

Place of publication:: Greifswald

Collection:: Projekt EODOPEN; Einzelne Personen und Familien

Shelfmark:: 570 Bn 1605s

Creator:: Silling, Marie

Full text

Die Familie meiner Mutter 
15 
vle ffamilie meiner Slutter 
Wenn ich als Kind die Familie meines Vaters einzig 
aus seinen oder unserer Mutter Erzählungen und ge 
legentlich kurzer Besuche kennen lernte, so bildeten wir 
in der Familie meiner Mutter nur einen Zweig, der un 
löslich mit dem Baume verwachsen war. Meine frühesten 
Erinnerungen zeigen mir eine in meinen Augen sehr alte 
Frau, die eine weiße, mit gefalteten Streifen garnierte 
Haube trug, deren Bänder unter dem Kinn gebunden 
waren. Diese alte Dame hatte mich auf das breite Fenster 
brett einer tiefen Fensternische gehoben, damit ich einen 
pomphaften Leichenzug unter Fackelbeleuchtung vorbei 
ziehen sehen konnte. Die Schauer dieser geheimnisvollen 
Feierlichkeit wurden dadurch erhöht, daß meine Urgroß 
mutter etwas murmelte, das in meiner Erinnerung 
ungefähr lautete: Der kommt auch nicht wieder! Dies 
Nichtwiederkommen beschäftigte lange meinen Kopf und 
machte diese erste Erinnerung und mit ihr meine Urgroß 
mutter mir unvergeßlich. Doch es ist meine einzige Er 
innerung an diejenige geblieben, die sich als die wichtigste 
Persönlichkeit der Familie erschien. Meine Urgroßmutter 
Anne Marie Wulff war die Besitzende, von der ihrer An- 
sichtnach alle anderen Familienmitglieder abhingen. Anne 
Marie Wulff geb. Wolff hatte als Kind bereits ihre Eltern 
verloren und war von einer Familie Fuchs erzogen und 
adoptiert worden. Sie muß selber vermögend gewesen 
sein, denn alle ihre Sachen, die sie zur Ausstattung an 
schaffte, überdauerten die Generationen und zeugen noch 
heute von einer Gediegenheit des Geschmacks, der sicher 
damals mit vielem Gelds ausgewogen werden mußte. — 
Sie heiratete sehr jung im Jahre 1783 einen bedeutend

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